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Governance - alles gut im System?


Governance ist ein Begriff, den man immer wieder hört, aber oftmals etwas Unterschiedliches darunter versteht. Einige denken dabei an Macht, andere an Entscheidungsmechanismen, wieder andere an eine Person oder ein Mitglied der Organisation. Im ursprünglichen Sinne bezieht er sich auf die Gewaltenteilung in demokratischen Systemen, via "Corporate Governance" hat er dann auch in der NPO-Welt Fuss gefasst. Am Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel und bei Con·Sense verwenden wir für Governance folgende Definition aus einer Studie von Prof. Dr. Georg von Schnurbein (2008):

„Nonprofit Governance ist ein Set von Instrumenten, Massnahmen und Mechanismen, das den Vorstand einer NPO bei der Globalsteuerung und der wirksamen Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt sowie die Zweckerfüllung, Legitimität und Verantwortlichkeit der Organisation bzw. die Berücksichtigung der Stakeholderinteressen sicherstellt. Insbesondere stellt Nonprofit Governance handlungsbezogene Grundsätze für die Austauschbeziehungen des Vorstandes mit der Geschäftsführung und den identifizierten internen und externen Stakeholdern auf.“

Im Unterschied zu Governance in Unternehmen geht es bei NPO auch nicht um die Trennung von Eigentum und Kontrolle, sondern um die Trennung von Entscheidungsfindung und Entscheidungsdurchsetzung. Dies ist wichtig, weil a) aufgrund der Ehrenamtlichkeit der obersten Leitungsorgane (Vorstand oder Stiftungsrat) die Informationsasymmetrie zur hauptamtlichen Geschäftsführung besonders gross sein kann und b) weil NPO und deren Führungskräfte hohen moralischen Ansprüchen gerecht werden müssen. Ein Fehltritt in einer NPO wird schnell zu einem Skandal. Deshalb bedeutet "good governance" in NPO vor allem:

  • Gewährleistung von Entscheiden

  • Transparenz von Entscheidungsfindungsprozessen

  • Übereinstimmung der Aktivitäten mit dem Zweck der NPO

Governance-Strukturen sind also quasi die "Säulen" der Arbeit einer NPO. Zu den Governance-Strukturen einer Organisation gehören im Nonprofit-Bereich der Vorstand oder Stiftungsrat und die Geschäftsführung (insofern eine bezahlte Geschäftsstelle vorhanden ist). Bei einer Governance Review werden üblicherweise auch deren Arbeit und das Zusammenspiel von strategischer und operativer Ebene evaluiert. In einem Verein oder Verband sind auch die Mitglieder wichtige Governance-Akteure.

Wichtig bei Governance ist, dass sie in Zeiten entwickelt werden muss, in denen die Organisation stabil und gesund ist - also Zeiten, in denen man eigentlich nicht darauf angewiesen ist. Denn wenn es schon Unstimmigkeiten gibt, weil z.B. Mitglieder sich schlecht vertreten fühlen oder ein Interessenkonflikt im Stiftungsrat aufgedeckt wurde, ist es meistens schon zu spät dafür.


In vielen Branchen gibt es Governance-Kodizes, so genannte "Soft Laws", denen eine Organisation sich freiwillig unterstellen kann. Es gibt auch Organisationen, die ihre eigenen Governance-Kodizes entwickeln. Grundsätzlich empfehlen wir einem übergeordneten Kodex zu folgen, da die Themenabdeckung breiter ist. Zwar sind darin auch Inhalte erfasst, die für die eigene Organisation nicht unbedingt relevant sind, die aber in Zukunft eine Rolle spielen könnten. Im Schweizer Stiftungswesen ist der >Swiss Foundation Code ein Governance-Kodex, der viele verschiedene Themen mit bewährten und pragmatischen Empfehlungen behandelt und sich an die ganze Branche von gemeinnützigen Stiftungen wendet. In unserer Arbeit verwenden wir ihn immer wieder als Benchmark zur Überprüfung von Governance-Systemen von Stiftungen (bspw. bei Reviews von Stiftungsdokumenten).


Wir empfehlen Vorständen und Stiftungsräten auch, regelmässig ihre eigene Arbeit zu evaluieren. Es gibt Selbstevaluationstools, die ein nützlicher Anhaltspunkt sein können, um Stärken und Schwächen der Vorstands- oder Stiftungsratsarbeit zu identifizieren. Das CEPS hat gemeinsam mit Con·Sense ein solches Tool entwickelt, das die folgenden Themen abdeckt:

  • Selbstverständnis als NPO

  • Bestehende Führungsinstrumente

  • Struktur des Stiftungsrats / Vorstand

  • Der Vorstand / Stiftungsrat als Team

  • Das Präsidium als Schnittstelle

  • Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung

  • Gesamtbeurteilung der eigenen Arbeit

Die Selbstevaluation kann im Rahmen einer offenen Diskussion im Vorstand erfolgen, oder durch externe Personen moderiert werden. Wenn beispielsweise kritische Punkte zu erwarten sind, ist eine externe, anonyme Auswertung der Fragebogen sinnvoller und hilft, die Diskussion im Anschluss an die neuralgischen Punkte zu führen.


Es bleibt dabei - da mit Governance kein rigides und starres Gesetzeskonzept gemeint ist, sondern ein Konzept von Werten und Normen in einer Organisation, bleibt der Begriff wohl etwas "unfassbar". Wenn eine Organisation sich jedoch konsequent an den Grundsätzen von Transparenz, Wirksamkeit, Machtausgleich und Repräsentativität orientiert, kann good Governance dazu führen, dass eine NPO effektiver und effizienter ihre Arbeit unter Berücksichtigung relevanter Stakeholderinteressen leisten kann.


Weiterführende Literatur:

  • Hersberger-Langloh, S.; von Schnurbein, G. (2022). "Governance – Interessenausgleich von Stakeholdern in Verbänden" in: >Handbuch Verbandsmanagement (Herausgeber: Marcus Stumpf), Schäffer-Poeschel Verlag

  • von Schnurbein, G. (2008): Nonprofit Governance in Verbänden – Empirische Analyse am Beispiel von Schweizer Wirtschaftsverbänden, Bern/Stuttgart/Wien.


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